„In jedem von uns steckt Ayurveda“

Yoga und Ayurveda. Passt wie Arsch auf Eimer – oder um im angemessenen Bild zu bleiben: Ingwer auf Zitrone. Aber was ist Ayurveda eigentlich genau? Ich habe mich in letzter Zeit etwas näher mit der indischen Heilkunst befasst und bin auf einige interessante Bücher gestoßen. Eines ist das hier von Dr. Janna Scharfenberg. Sie erklärt Ayurveda ohne viel Schnick-Schnack und schafft es, einen modernen Zugang zur indischen Tradition zu schaffen. In „Ayurveda for life“ erklärt sie, was Ayurveda genau ist, welche Rezepte sich nachkochen lassen und vor allem wie man die Heilkunst in seinen Lebensstil integrieren kann. Im Interviewoo mit wampediboo erzählt die promovierte Humanmedizinerin, wie Yoga und Ayurveda zusammen gehören, wie Anfänger beginnen sollten und was ihr kuriosestes Ayurveda-Coaching-Erlebnis war.

Dr. Janna Scharfenberg (Fotos: Alysa Aeschbacher/Katharina Weins)

Yoga und Ayurveda – das gehört zusammen wie Kaffee und Kuchen. Beides klingt irgendwie nach dem perfekten Match, lässt sich aber auch unabhängig von einander genießen. Wie gehören beide Bereiche eigentlich zusammen?
Janna Scharfenberg: Yoga und Ayurveda sind quasi Schwesternphilosophien, die einen ähnlichen Ursprung, v.a. aber ein gleiches Ziel haben: Körper, Geist und Seele zu vereinen und so im Einklang zu leben. Yoga geht hierbei den Weg über Mediation, Atemübungen und Asanas. Der Ayurveda hat seinen Schwerpunkt auf Ernährung, Prävention und Reinigung. Viele Bereiche überschneiden oder ergänzen sich.

Yogaschulen schießen wie Pilze aus dem Boden. Ebenso Yogalehrer. Ich habe den Eindruck, dass sich jedoch nicht alle mit Ernährung und Ayurveda beschäftigen. Kommt die Ayurvedische Lehre zu kurz?
Es ist wunderbar, dass es es immer mehr Yogaschulen und Yogalehrer gibt, denn noch nie war die Menschheit so gestresst und weit von sich selbst entfernt wie heute. Je mehr Menschen Zugang zu dieser tollen Lehre finden, desto besser. Yoga „muss“ sich ja per se nicht unbedingt immer mit Ayurveda beschäftigen, aber ich denke, dass dies einfach ein logischer Schritt ist für jeden, der sich für Gesundheit interessiert, dass er neben der (spirituellen) Yogapraxis auch seine Ernährung und Lebensstil dementsprechend anpassen möchte. Da ist der Schritt zum Ayurveda nicht mehr weit und natürlich ergänzt der Ayurveda da den Yoga wunderbar.

Und die Schulmedizin? Sie haben schließlich eine schulmedizinische Ausbildung. Was hat Sie dazu bewogen, sich in Ayurveda weiterzubilden?
Die Schulmedizin ist wunderbar und enorm wichtig, sie rettet täglich viele Leben. Allerdings ist der Schwerpunkt hier auf der Krankheitslehre, Reparatur, Wissenschaft und Medikamenten. Der Ayurveda hingegen hat sich mehr der Prävention und Erfahrungsmedizin verschrieben. Für mich sind die Schulmedizin und der Ayurveda zwei verschiedene Disziplinen, die sich wunderbar zu einem Gesamtkonzept ergänzen, bei der jeder Bereich in seiner Stärke glänzen kann. Ich wollte beide Bereiche für mich erfahren und weitergeben, daher habe ich zusätzlich die ayurvedische Medizin studiert.

Wie sieht die Schulmedizin/wie sehen Ihre Kollegen Ayurveda? Ist die ganzheitliche Art zu heilen angekommen?
Ich denke, hier kann man keine pauschale Antwort geben, denn das sieht sowohl jeder Arzt, Therapeut oder Ayurveda Kollege sicher ganz individuell aus seiner Sicht. Es lässt sich aber sagen, dass langsam aber sicher die traditionellen Heilsysteme auch bei uns im Westen immer mehr in den Fokus rücken und viel mehr Synergien geschaffen werden.

Wie erklären Sie einem Laien, was Ayurveda ist?
Ayurveda ist die Wissenschaft des Lebens und das traditionell indische Heilsystem, das sich dort über Jahrtausende entwickelt hat. Es ist eine Erfahrungsmedizin, die Beobachtungen der Natur als Grundlage hat und den Menschen sehr stark als Individuum betrachtet. Neben der Prävention sind Ernährung, Reinigungstechniken, Bewegung und die individuelle Lebensführung wichtige Bestandteile.

Kommen wir nochmal zurück zu Kaffee und Kuchen: Ist beides denn „erlaubt“ im Ayurveda?
Natürlich! Der Ayurveda lebt nicht von Verboten, sondern von vielen verschiedenen Empfehlungen, die wir individuell passend in unser Leben integrieren dürfen und so unser Leben für uns gestalten können, wie es passt. Da ist zwischendurch auch einmal Kuchen und Kaffee „erlaubt“.

Und wie ist das mit Fleisch und Milchprodukten?
Hier verhält es sich ähnlich wie mit Kaffee und Kuchen. Auch Fleisch und tierische Produkte sind nicht tabu, der Ayurveda ist in seinen Grundzügen weder vegan noch vegetarisch. Allerdings werden diese Produkte im Ayurveda als Produkte angesehen, die wir nur in höchster Qualität und kleinen Mengen zu uns nehmen sollten.

Ein Satz, den Sie bestimmt häufig hören: Puuuhh, das lässt sich nicht in den Alltag integrieren. Stimmt das?
Man kann den Ayurveda – wie eigentlich alles im Leben – sehr kompliziert machen und viele Wege finden, warum es nicht möglich ist in die Umsetzung zu kommen. Oder man sucht sich auch hier einfache Tipps aus, die sich einfach in den Alltag integrieren lassen. In jedem von uns steckt mehr Ayurveda als wir vielleicht erst einmal denken.

In Ihrem Buch erklären Sie sehr alltagsnah und verständlich, welche Gerichte sich für welchen Dosha-Typen eignen, welche Gewürze jeder vorrätig haben sollte oder wie sich der Tag planen lässt. Was war Ihre größte Schwierigkeit dabei, Ayurveda im Leben zu integrieren?
Ich habe eine kleine Tochter, leite ein Gesundheitsunternehmen und bin viel unterwegs. Da ist es manchmal natürlich nicht einfach bei seinen gesunden Routinen zu bleiben und sich nicht zu viel in den Terminplan zu schreiben. Das merke ich dann natürlich auch an meiner Ernährung, meinem Stresslevel und wie häufig ich auf die Yogamatte komme. Es ist immer wieder eine Herausforderung in die Stille zu kommen und gut für sich zu sorgen, aber letztendlich ist das ja auch eine der grössten Lebensaufgaben, immer wieder gut auf sich zu achten, so dass man die beste Version seiner selbst sein kann.

Was war Ihr kuriosester Ayurveda-Moment?
Ich habe viele wunderbare Klienten, die ich sehr respektiere und hier aus diesem Grund natürlich keine intimen Details teile. Aber von einem Vortrag kann ich gerne eine kleine Geschichte teilen: ich war als Referentin bei einer grossen Gesundheitsveranstaltung eingeladen und sollte dort über Ayurveda referieren. Der Moderator kündigte mich als Aloe Vera Expertin an und sprach lang und breit über die Pflanze. Das war natürlich eine sehr lustige Angelegenheit die Situation elegant und mit Humor aufzulösen ohne den Moderator peinlich berührt stehen zu lassen. Aber alle nahmen es mit viel Lachern auf.

JANNA SCHARFENBERGS STARTERTIPPS FÜR AYURVEDA-INTERESSIERTE.

  1. Morgens mit Zungeschaben und Ölziehen in den Tag starten

  2. Über den Tag verteilt warmes Wasser trinken

  3. Zwischen den Mahlzeiten gebührend Pausen lassen und keine Snacks einnehmen

  4. Regional, saisonal und möglichst frisch essen

  5. Mindestens acht Stunden pro Nacht schlafen

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Achtsamkeitstraining – und wie ich da hineingestolpert bin